Die etwas andere Chronik des 1.FC Lorsbach

(für damals Beteiligte und heute Interessierte)
von Hans-Werner Jährig

Vorwort

Der Verfasser, der die beschriebene Zeit als Beteiligter miterlebte, hat diesen Bericht aus seinen persönlichen Erinnerungen weitgehend aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. Kleine Ungenauigkeiten möge man deshalb verzeihen. Sollten wichtige Personen unerwähnt geblieben sein, war dies keine Absicht.

Chronik

Im Jahr 2003, gerade zum 50-jährigen Bestehen des FCL gelang der ersten Mannschaft nach einer spannenden Relegationsrunde der Aufstieg in die Bezirksoberliga. Damit fand man zurück in die Erfolgsspur, die man schon einmal, nämlich zum 20-jährigen Bestehen des Vereins 1973, betreten hatte. Erinnern wir uns an die spannendsten und erfolgreichsten Jahre eines Fußballclubs …

Die ersten 20 Jahre des FCL verliefen in der damaligen B-Klasse Main-Taunus, Gruppe West, ohne den besonderen Höhepunkt. Auch wenn der Verein hier und da an der Spitze mitspielte, so gelang doch bis zu jenem 20. Mai 1973 nie der große Sprung in die nächsthöhere A-Klasse. Bevor der Aufstieg an diesem besagten 20. Mai gefeiert werden konnte – durch ein 3:2 im Entscheidungsspiel um die Meisterschaft in Sulzbach gegen den BSC Kelsterbach, Tore E. Peressini (2), Jährig – hatten die Verantwortlichen des Vereins einen großen Schritt gewagt: Sie verpflichteten den ehemaligen Jugendspieler des FCL, Eberhard Peressini, der mittlerweile in der Oberliga bei Rot Weiß Frankfurt spielte. Ebbo, wie er schnell gerufen wurde, war der Garant für Tore im Sturm (allein 51 im ersten Jahr in der B-Klasse) und damit die „Initialzündung“ für die gesamte Mannschaft. Ebenso wichtig waren aber Jörg Schmitt, der aus der damaligen Gruppenliga zurück nach Lorsbach gekommen war, Spielertrainer Lothar Köhler als Tormann, und eine ganze Reihe weiterer „Eigengewächse“. Hier seien stellvertretend der „Rote“ Roland Hofmann, Hans Langenberger, Bernd Auster oder Horst Lederer genannt.

Vor dem Spiel bei Freie Turner Wiesbaden
Spieler hintere Reihe von links: Jährig, Finger, P.Peressini, Kolatta, E.Peressini, Hofmann.
Spieler vordere Reihe von links: Schmittner, Fink, Stallmach, Klinger, Meyer, Großmann, Eberth.
Links W. Geweniger (Vorsitzender), rechts H. Zucker, W. Wendel (beide Spielausschuss).

20.05.73 direkt nach Spielschluss
Spieler hintere Reihe von links: Hofmann, Großmann, Kolatta, Peressini, Blumenthal, Jährig, Lederer, Schmitt.
Spieler vordere Reihe von links: Müller, Heinze, Köhler, Auster, Eberth, Born. Mit grünem Schlips Vorsitzender Willi Geweniger.

Nach dem Gewinn der ersten Meisterschaft der Vereinsgeschichte erreichte das Team noch das Kreispokalendspiel (fand erst zu Beginn der Saison 73/74 statt), das in Hofheim gegen den Gruppenligisten SG 01 Höchst mit 1:2 verloren wurde – Torschütze Wolfgang Meyer in der ersten Minute!

Für die Saison 1973/74 wurde das Team durch 2 Spieler aus Kelkheim verstärkt, die für einige Jahre am Erfolg der Lorsbacher beteiligt sein sollten: Winfried „Winschi“ Finger und Horst Stallmach. Dazu kehrte mit Peter Peressini der große Bruder von Ebbo zurück, der über Jahre der Abwehr Stabilität verlieh und spät in den 80er-Jahren noch mal dem FCL aushalf. Ein Großteil der Meistermannschaft blieb zusammen und so konnte man nach anfänglichen Schwierigkeiten – es gab erst im sechsten Heimspiel den ersten Heimsieg mit 2:1 gegen FV Bierstadt – einen sicheren Platz im vorderen Mittelfeld der A-Klasse Main-Taunus erringen.

Mit der Verpflichtung von Horst Schmittner von der Spvgg. Bad Homburg – immerhin damals Deutscher Amateurmeister – als Spielertrainer begann 1974 eine Erfolgsserie, die knapp 3 Jahre später fast zum Aufstieg in die Hessenliga (heute Oberliga Hessen) geführt hätte. Fast, aber der Reihe nach … Neben Horst Schmittner kam mit Herbert Fink (leider im November 2005 viel zu früh verstorben) ein „Knipser“ nach Lorsbach, ein typischer Strafraumstürmer, der sich mit Ebbo Peressini glänzend ergänzte. Die beiden erzielten in der Meistersaison 1974/75 zusammen über 50 Tore! Diese Saison sah den FCL als überragende Mannschaft. Der Start brachte 10 Siege in Folge mit 20:0 Punkten, nach der Vorrunde standen 30:2 Punkte auf dem Konto und bereits Anfang April 1975 konnte durch ein 4:0 bei den Freien Turnern Wiesbaden an einem Sonntagvormittag die Meisterschaft perfekt gemacht werden. Erst am vorletzten Spieltag wurde das einzige Mal verloren (2:3 gegen Sonnenberg) und am Ende wurden 55:9 Punkte erreicht, eine Punktzahl, die seither kein anderer Meister der A-Klasse (heute Bezirksliga) mehr erreicht hat! Dies ist umso höher zu bewerten, musste der FCL doch die gesamte Saison über seine Heimspiele wegen des Neubaus der Sportanlage im Schinderwald im Marxheimer Sportpark Heide austragen.

Meisterfeier 1975

Nach dieser überragenden Saison stand für die Verantwortlichen des FCL unter Führung des umsichtigen Willi Geweniger die Zielrichtung fest: in der Bezirksklasse (heute Bezirksoberliga) vorne mitspielen. Dazu kamen einige Hochkaräter in den Schinderwald: Klaus Nilges, ebenso oberligaerfahren wie Horst Heinrich und „Sänger“ Karl-Heinz Markiefka alias Holger Terry. Der Saisonstart ging gründlich in die Hose. Das erste Heimspiel gegen den SV Arfurt wurde – noch in Marxheim – ebenso verloren (1:2 ) wie die zweite Partie bei der Spvgg. Ickstadt (2:3). Somit musste das dritte Spiel gegen den RSV Weyer (mit dem legendären Otto Eismann) zeigen, wohin der Weg führt. Glücklich 1:0 hieß es am Ende für den FCL, die ersten Punkte in der neuen Spielklasse waren eingefahren. Das vierte Spiel in Eltville zeigte dann erstmals die Stärke der Mannschaft. Nach 0:2 Rückstand wurde noch 4:2 gewonnen (überragend hier Horst Schmittner) und der FCL ging auf die Jagd der Spitze. Einige Wochen später wurde im Oktober 1975 mit dem Heimspiel gegen den VFB Unterliederbach (1:0) die neue Sportanlage im Schinderwald eröffnet und der FCL erklomm bald zum ersten Mal die Spitze der Bezirksklasse. Im weiteren Verlauf der Saison, in der es im Gegensatz zum Vorjahr auch die eine oder andere Niederlage gab (zum Beispiel wurden beide Partien gegen den späteren Vizemeister VFR 19 Limburg verloren) hielt sich der FCL immer in der Spitzengruppe und machte die Meisterschaft und damit den Aufstieg in die Gruppenliga (heute Landesliga) Mitte am vorletzten Spieltag mit einem 3:1 bei der TuS Dotzheim perfekt. Somit war man, wenn man es großzügig betrachtet, in drei Jahren vom B-Ligisten zum Gruppenligateam geworden. Immer noch als spielentscheidender Mann und wichtigster Torschütze dabei war „Ebbo“ Peressini, mit dem alles seinen Anfang nahm. Auch andere haben den Weg in die Gruppenliga mitgemacht aber Ebbo …

Nun war der FC Lorsbach neben der SG 01 Höchst (ebenfalls Gruppenliga) und Viktoria Sindlingen (Hessenliga) der klassenhöchste Verein im Kreis Main-Taunus und rüstete weiter auf. Mit Siggi Feghelm kam ein bundesligaerprobter Tormann (Eintracht Frankfurt) in den Schinderwald. Theo Fabry, der schon in Jülich Oberliga gespielt hatte, für das Mittelfeld und Dribbelkönig Manni Fehnl als Rechtsaußen waren weitere wichtige Zugänge. Die Meistermannschaft blieb weitgehend zusammen und der Start in die Gruppenligasaison konnte beginnen.

Erster Gegner war in Lorsbach die TuS Langenaubach aus dem Lahn-Dill-Kreis. Die Gästemannschaften reisten jetzt mit Bus an und auch der FCL bestritt so manche Reise mit einem solchen Gefährt. Dass dabei neben der Reserve auch Fans im Bus mitfuhren schuf eine andere Zusammengehörigkeit als dies heute der Fall ist. Die Begegnung gegen Langenaubach war einseitig und brachte ein 3:0 für den FCL. Erster Torschütze in der Gruppenliga war – natürlich – Eberhard Peressini. Der Start war geglückt, es folgte ein 3:1 in Bad Schwalbach und dann ein Heimspiel gegen den RSV Würges, auch damals schon eine der Größen im Gruppenligafußball. Vor über 600 Zuschauern – Rekord im Schinderwald – siegte der FCL 2:1 und übernahm als Neuling die Tabellenführung. Diese gab er bis Mitte der Rückrunde nur noch einmal ab. Am vierten Spieltag – die erste lange Auswärtsfahrt nach Cappel bei Marburg stand auf dem Spielplan – setzte es eine herbe 2:5 Niederlage. Anschließend wurde durch Siege unter anderem in Bleidenstadt und Kastel das Punktekonto auf 16:2 ausgebaut, für einen Neuling eine respektable Leistung.

Die erste Heimpleite gegen Mitaufsteiger Eintracht Haiger mit 1:2 beendete die beeindruckende Serie von 5 Siegen in Folge. Dann, am 11. Spieltag, stand das Derby bei der SG Höchst an. Es wurde ein denkwürdiges Spiel, jeder der dabei war, wird sich sicher erinnern. Der FCL führte nach 17 Minuten durch Tore von Großmann (2) und Nilges mit 3:0 und führte die Höchster vor. 25 Minuten später stand es 3:3. Solche dramatischen 45 Minuten hat auch der Verfasser dieser Zeilen selten wieder erlebt. Es blieb bis zum Ende beim Unentschieden.

Der FCL wurde mit 23:7 Punkten Herbstmeister und startete mit 4 Siegen in die Rückrunde. Somit stand die Mannschaft nach dem 20. Spieltag (bei einem Spiel im Rückstand) mit 31:7 Punkten vor Würges und Höchst mit jeweils 28:12 Punkten an der Spitze. Der Weg zur Hessenliga war offen. 3 Monate später beendete der FCL die Saison mit 38:22 Punkten und Platz 4 – hinter Meister SG Höchst, Vizemeister RSV Würges und dem VFL Marburg. Dies bedeutet 7:15 Punkte aus den letzten 11 Spielen, nach dem vorangegangenen tollen Saisonverlauf kaum zu begreifen. Die Gründe waren sicherlich vielschichtig. Im sportlichen Bereich ist der Schienbeinbruch des überragenden Vorstoppers Horst Heinrich beim 0:1 in Haiger zu nennen. Sein Fehlen nahm der sicheren Abwehr einen Teil ihrer Stärke. Die Entscheidung des Vorstands, in der Zukunft nicht weiter mit Spielertrainer Horst Schmittner zusammen zu arbeiten war ein weiterer Mosaikstein. Dazu kamen Formschwächen wichtiger Spieler und auch etwas das fehlende Glück in entscheidenden Situationen. Die wichtigsten Partien seien noch einmal in Erinnerung gerufen: 0:1 in Biskirchen, 0:1 in Haiger, 1:1 in Burgsolms, 1:2 in Marburg – der Raum Mittelhessen wurde für den FCL zum Trauma (Vorrunde schon 2:5 in Cappel). Dazu kamen zwei Heimniederlagen, die besonders weh taten: 1:2 gegen TSV Bleidenstadt, obwohl die Gäste die Partie mit nur acht Spielern beendeten und die denkwürdige 1:2 Niederlage im Spitzenspiel gegen die SG Höchst, wo Wolfgang Meyer doch bereits in der 10. Minute den FCL in Führung gebracht hatte. Aber Fehler von Torwart Feghelm und ein starker Ede Malura im Höchster Team drehten das Spiel. Zudem wurde kurz vor Schluss noch ein Elfmeter von Fabry an den Innenpfosten geschossen. Die leichte Konsolidierung zum Saisonende (nach der vorzeitigen Trennung von Trainer Schmittner) konnte nichts mehr retten. Die große Chance bis zur damals höchsten Amateurklasse vorzustoßen, war vergeben. Nie mehr war der FC Lorsbach so stark wie in der Saison 1976/77. Mit dem Weggang von Trainer Schmittner endete der Aufstieg des FCL zu einem in ganz Hessen bekannten Verein. Auch in den folgenden Jahren wurde zum Teil hervorragender und erfolgreicher Fußball geboten, die Souveränität und Spielstärke der ersten Gruppenligasaison wurde aber nicht mehr erreicht.

Hier soll die etwas andere Chronik des 1. FC Lorsbach zunächst enden. Sieht man von der Saison 1978/79 unter Trainer Heinz Wulf ab – man stand bis Mitte der Rückrunde noch in enger Verbindung zum Spitzenreiter und späterem Meister Kastel – ging es langsam aber stetig bergab. Eine langfristige Konsolidierung in der Landesliga war leider nicht möglich.

Für Freunde der nackten Zahlen sei noch erwähnt:

Der FCL hielt sich sechs Jahre bis 1982 in der Landesliga, vier Jahre davon in der Spitzengruppe, und musste dann etwas überraschend in die damalige Bezirksklasse Wiesbaden absteigen. Während der Bezirksklassenzeit errang man zweimal den Kreispokal und einmal den Bezirkspokal. Hier verblieb man weitere sieben Jahre und landete am Ende der Saison 1988/89 wieder in der A-Klasse, in der heute (Bezirksliga) immer noch gespielt wird. Wäre nicht der kleine Lichtblick 2003 gewesen, könnte man fast schon von einer „grauen Maus“ sprechen …